Immer wieder sagen Freunde, irgendwann passiert noch was, wenn man über Dinge redet, die eigentlich niemand wissen sollte. Und trotzdem hatten alle das gleiche Gschmäckle, als ich
ihnen die Geschichte vom jüngsten Beratungsauftrag der Stadt erzählte. Die Worte Vetternwirtschaft und Korruption machen die Runde, Filz und Ämterpatronage.
Was war geschehen? Die Politik in Bergisch Gladbach macht sich seit dem Sommer 2010 Gedanken über die Gründung neuer Stadtwerke.
Die letzten Stadtwerke (BELKAW) hatte eine Mehrheit aus CDU und FDP im Jahre 1999 gegen den Widerstand vieler Bürgerinnen und Bürger vollständig verkauft. Man hoffte mit dem Verkaufserlös an der
Börse mehr Gewinn machen zu können. Schon damals verspürten viele Bürgerinnen und Bürger ein „Gschmäckle“, denn es ging umgerechnet um einen Verkaufspreis von rund 40.000.000 €.
Jetzt, nach mehr als 10 Jahren, stellt man fest, dass diese Spekulation an Börse keine gute Idee war. Während die Aktienfonds, die aus dem Verkaufserlös angelegt wurden, seither schon mindestens
5 Millionen € an Wert verloren haben und jährlich nur geringe Ausschüttung einbringen, erwirtschaften die alten Stadtwerke BELKAW unter dem neuen Besitzer einen Bilanzgewinn von bis zu 5
Millionen € jedes Jahr. Gerade im Nothaushalt könnte die Stadt diese Einnahmen gut gebrauchen, um so nicht nur die Kosten der Schwimmbäder der Stadt zu finanzieren, sondern auch an anderen
Stellen Kürzungen zu verhindern.
Nun denkt man seit mehr als 15 Monaten über die Gründung neuer und wieder eigener Stadtwerke nach, denn die Konzessionsverträge mit dem Energieversorger werden 2014 auslaufen und müssen neu
geregelt werden. Dabei geht es um Millionen Euro für die Stadt, und um noch mehr Millionen Euro für die BELKAW. Um sich sachkundig zu machen gründete der Stadtrat einen informellen
Arbeitskreis, den „Lenkungsrat“, der dann hinter verschlossenen Türen tagte und diskutierte. Dort wurde ausgekungelt, man könnte ohne externe Beratung nicht zu einem vernünftigen
Ergebnis kommen. Die Sache sei sehr schwierig und zu gering die eigene Sachkenntnis. Statt dieses erst einmal öffentlich im Stadtrat zu thematisieren und dort eine grundsätzliche Diskussion zu
führen, ob man überhaupt neue Stadtwerke gründen mag oder ob man die Konzessionsverträge so gestaltet, dass für den Bürger nicht nur mehr Geld, sondern auch umweltfreundlicher und atomfreier
Strom herauskommt, hat man aus der Diskussion eine geheime Sache gemacht. Das Thema wurde als Dringlichkeitsentscheidung in den „nicht öffentlichen“ Teils des Stadtrat verband, und so
hat man eine öffentliche Diskussion unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger verhindert.
Was aber sollte unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Stadtrat entschieden werden? In der Tagesordnung hieß es: "Genehmigung einer Dringlichkeitsentscheidung". Der Kölner Stadt-Anzeiger schrieb
dazu am 18.10.2011: „Dahinter verbirgt sich die Auftragsvergabe an zwei Gutachter. Die Stadt holt sich professionelle Hilfe für die Beurteilung der wirtschaftlichen und der juristischen
Zusammenhänge ein. In einer ersten Phase werden dafür 100.000 Euro bereitgestellt - geplant sind fünf Phasen. Alle Beteiligten gehen davon aus, dass am Ende der Beratung 400.000 bis 500.000 Euro
ausgegeben werden.“ In der Sitzung ging es um die Vergabe der Aufträge an eine Anwaltskanzlei eines ehemaligen CDU-Kommunalpolitikers, an der auch ein Bundestagsabgeordnete der CDU und ein
ehemaliger CDU-Stadtdirektor und Landtagsabgeordneter der CDU beteiligt sind. Bei diesen Summen von 100.000 -500.000 € sollte man eigentlich erwarten, dass man mehrere Angebot einholt und genau
festlegt, was die Beratung zu leisten hat. So schreibt es eigentlich auch die gesetzlich bindende Vergabeordnung vor.
Doch Fehlanzeige: Es lag nur ein einziges Angebot vor, andere wurden nicht eingeholt, und über Inhalte und genaue Fragestellungen wurde auch nicht gesprochen. In der Sitzung des
Stadtrats wurden die Fragen, die man von den Beratern beantwortet haben will, weder diskutiert noch festgelegt. Der Stadtrat und die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Stadtverordneten
hatten keine Gelegenheit, darüber zu diskutieren, ob man überhaupt neue Stadtwerke möchte oder ob eine Vertragsverlängerung die bessere Variante sein könnte.
Ich selbst befürworte die Gründung neuer Stadtwerke, weil die Gewinne der Stadt helfen könnten, und weil dies ein richtiger Schritt in Richtung ökologische und klimafreundliche Energiesysteme weg
vom Atomstrom sein kann.
So wurde ohne eine inhaltliche Aussprache eigentlich nur über den Streitpunkt diskutiert, ob es sich um eine Dringlichkeitsentscheidung handelt. Der CDU-Bürgermeister hatte mit der
Begründung einer Dringlichkeitsentscheidung den Hunderttausend-€-Auftrag längst vorher an besagte Anwaltskanzlei vergeben und sich diese Entscheidung durch den Fraktionsvorsitzenden der SPD
genehmigen und unterschreiben lassen.
Er begründete die Dringlichkeit mit dem Zeitplan, auf den sich die „Amigo-Runde“ „Lenkungsausschuss“ unter Ausschluss der Bürgerinnen und Bürger, ohne eine öffentliche Diskussion im
Stadtrat, selbst geeinigt hatte. Dieser Zeitplan ist nicht sonderliche transparent und die Frage bleibt, warum man das nicht vorher hätte machen können. Di e Frage der Gründung von
Stadtwerken ist erstmals im Sommer 2010 im Zusammenhang mit einem Antrag von DIE LINKE. und der BfBB aufgetaucht und wurde später wieder von der SPD aufgriffen. Damals hatte man schon die
Konzessionsverträge und neue Stadtwerke zur Gewinnung von erneuerbaren Energien im Auge. Bürgermeister und Verwaltung hatten die Diskussion unerklärlicherweise verschleppt.
Jetzt plötzlich musste dann alles ganz schnell gehen. Dazu zog man das Instrument einer „Dringlichkeitsentscheidung“ aus dem Hut, um so die demokratisch gewählten zuständigen Ausschüsse oder der
Stadtrat auszuschalten, und das Vergaberecht und den Vergabeausschuss zu umgehen. Die Gremien, die nach der Gemeindeordnung und der Verfassung des Landes NRW für diese Entscheidungen vorgesehen
sind, hatten noch keine grundsätzliche Diskussion darüber geführt, welche Richtung einzuschlagen sei, ohne sich endgültig entscheiden zu müssen. Diese wurden durch die angebliche
„Dringlichkeitsentscheidung“ ausgehebelt. Der schon erteilte Auftrag konnte im Stadtrat nur nachträglich genehmigt werden.
Selbst wenn der Stadtrat die Genehmigung nicht mit der Mehrheit von CDU, FDP und SPD erteilt hätte, wäre eine Aufhebung der Beauftragung nicht mehr möglich gewesen. Eine Dringlichkeit lag
nie vor, wofür ja das ganze Jahr 2010 ausführlich hätte genutzt werden können. Auch wäre der Zeitplan durchaus verschieben gewesen, um sich weitere Angebote anderer unabhängiger Berater
einholen zu können. Niemand kann ernsthaft behaupten, es gäbe nur eine Kanzlei dafür, denn andere Städte haben schon Stadtwerke neu gegründet und wurden dabei beraten.
Die nun gewählte und beauftragte Anwaltskanzlei hat in dieser Frage gar keine Referenzen. Im Zeiten des Nothaushalts mit mehr als 330.000.000 € Schulden in der Stadtkasse ist das oberstes
Gebot eine sparsame Haushaltsführung, und durch Beibringen mehrerer Angebote hätte man sicher viel „einsparen“ können. Leider hat der Bürgermeister in der Sitzung des Stadtrats vergessen zu
erklären, woher er die 100.000 € – 500.000 € nehmen wird, und wo er nun zur Gegenfinanzierung weiter kürzen will.
Am Ende bleibt mehr als nur ein „Gschmäckle“, eine Ahnung, wie Steuerverschwendung, Vetternwirtschaft, Korruption, Filz und Ämterpatronage denn nun tatsächlich schmeckt: teuer! Jetzt
bin ich gespannt, was passiert, wenn man über Dinge redet, die eigentlich niemand wissen sollte?
Wikipedia.de schreibt dazu: „Korruption bezeichnet Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung.“
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