Schulpläne: Bürgerwut und Schützenhilfe

"Wir benötigen eine offene Debatte über die Zukunft der Schulen, in der wir nicht nur über den Umzug des NCG, sondern über die Zukunft aller Bildungsangebote reden. Die Standortfrage muss endlich vom Tisch."

Kommentar zur städtischen “Infoveranstaltung zur Zukunft der Schullandschaft” am 20.03.2012.


Obwohl der Stadtrat den Vorschlag von Bürgermeister Lutz Urbach (CDU) bisher nicht politisch gebilligt hat, ging die Verwaltungsspitze am Dienstag, den 20.03.2012 im wahrsten Sinne des Wortes in die Offensive. Statt einer ergebnisoffenen Diskussion über die Schulentwicklung in Bergisch Gladbach zu führen, musste das interessierte Publikum sich mehr als eine Stunde lang drei Vorträge anhören, welche mit Engelszungen und teuflischen Szenarien von der drohenden Pleite in den Kassen der Verwaltung die Position des Bürgermeisters zu rechtfertigen suchten. Vergebens. Schnell war die Linie der Stadtverwaltung klar und man baute die gesamte Argumentation auf das Ziel aus, die Bürgerinnen und Bürger zu überzeugen einen Schulstandort zu schließen. Dabei wurde ganz unverhohlen deutlich gemacht, dass es dabei im Kern um die Sanierung des maroden Finanzhaushalts auf Kosten der Bildungslandschaft geht. Kein Wort über die Zukunftschancen unser Kinder im Bildungssystem. Der Plan bleibt bestehen, dass das NCG ins Kleefeld umziehen soll und die Schulen am Ahornweg und Im Kleefeld zu einer Sekundarschule am Ahornweg zusammengefasst werden sollen. Andere Vorschläge wurden lediglich am Rande erwähnt.


Nach dieser Stunde Dauerfeuer und Wahlkampf sollten die Kritiker auf dem Podium zu Wort kommen, doch welch unerwartetes Wunder, die eingeladenen drei Kritiker konnten ihre vorbereiteten Vorträge nicht halten und durften jeweils nur eine Minute ihre Position darstellen. Diesen folgten dann direkt zwei weitere Erwiderungen der Bürgermeisterseite vom Podium aus.
Die Kritiker forderten in diesen drei Minuten alle Schulstandorte zu erhalten und Bildung nicht nur unter finanziellen Aspekten zu betrachten. Man müsse das Augenmerk auch auf die inhaltlichen Aufgaben von Schule richten. Eine sehr geschickte Regie und Abkürzung, denn dann hörte man nur noch wenig von den geladenen Schulleitern auf dem Podium.


Danach entfaltete sich eine Fragestunde der Zuschauer, von denen kein Beitrag die Schließungs- und Umzugspläne befürwortete. Die Töne waren zum Teil sehr zugespitzt und es gab auch harte Worte.

Im Verlauf der Diskussion wurde ganz bewusst mit falschen Zahlen und Aussagen seitens der Verwaltung operiert. So erzählte der Leiter des Schulamts Herr Dr. Speer von lediglich 100 Schülerinnen und Schülern, welche an der Gesamtschule abgewiesen wurde, tatsächlich waren es aber 107 Kinder, für die man in der Stadt keine Gesamtschule bereitstellen konnte und so den Elternwillen missachtet. 102 Kinder reichen aus, um eine neue Gesamtschule zu errichten! Hinzu kämen die zahlreichen Kinder, die von ihren Eltern erst gar nicht angemeldet wurden, um ihren Kindern eine Ablehnung nicht zuzumuten, oder die auch keinen weiten Schulweg aus dem Süden der Stadt für ihre Kinder wollen. Obwohl gerade die Nähe zum Wohnquartier ein wichtiger Aspekt bei der Schulwahl ist, wie die Stadtverwaltung im ersten Vortrag selbst herausstellte, wurde dieser Punkt bei der Gesamtschulfrage ignoriert. Offensichtlich war das die Methode des Abends, denn viele Redebeiträge aus dem Publikum hatten ganz besonders die Zahlen im Visier und bemerkten viele Ungereimtheiten.

Besonders die Kosten im Konzept für die Sanierung des NCG und den Umzug wurden ausführlich und widersprüchlich erörtert.  Obwohl Architekt Duda in seinem Vortrag deutlich darauf hingewiesen hatte, dass es sich bei dem Kostenkonzept nicht um ein wissenschaftliches Gutachten, sondern um einen Vorschlag handelt, wollte Bernd Martmann (Immobilienbetrieb der Stadt) dieses immer wieder als Gutachten bezeichnen, um es damit unangreifbar zu machen. Herr Duda hatte sein Konzept verteidigt, aber sehr sachlich dargestellt, dass man ein solches Konzept auch bis zu 20% günstiger oder auch teurer gestalten kann.  Das Konzept lässt viel Raum für andere Schätzungen, zumal es aus dem Jahr 2010 stammt und seither einige sehr kostenträchtige Sanierungen, im Konzept noch erhalten, schon durchgeführt wurden.

Die Fragen, die mit den Aufgaben der Inklusion von Kindern mit Behinderung verbunden sind, wurden ignoriert und noch schlimmer heruntergespielt. Offensichtlich ist der Stadtverwaltung immer noch nicht bewusst, dass es sich hier nicht um eine Leistung handelt, die man freiwillig tun kann, sondern es handelt sich um eine gesetzliche Verpflichtung, der sich schon heute die Schulen stellen müssen.

Die Debatte eskalierte und Herr Bernd Martmann (Stadtverwaltung & aktives grünes Parteibuch) leistete nicht nur Schützenhilfe für den Plan der Verwaltung, sondern begann damit das Publikum zu maßregeln. Das kam natürlich gar nicht gut an und man hörte deftige Zwischenrufe aus dem Zuschauerraum.  Besonders Herr Martmann, der regelmäßig an den Sitzungen seiner Grünen Stadtratsfraktion teilnimmt, um diese auf seine Linien einzuschwören, wurde nicht nur Ziel der Bürgerwut, sondern teilte auch kräftig an die anwesenden Eltern und Bürger aus.


Nicht genug, dass das kritische Podium und das Publikum zu wenig zu Wort kam. Gegen Ende der Veranstaltung hat sich der “neutrale” Moderator durch Herr Dr. Speer (Stadtverwaltung) zeigen lassen, wer noch etwas aus dem Publikum sagen durfte und wer nicht. Anleitung von oben? Da wurde wohl selektiert und einige haben sich dann auch ohne Mikrophon und Regie der Verwaltung das Wort verschafft. Dann gegen 21.15 Uhr wurde eine weitere Aussprache mit einer Schlussrunde des Podiums abgewürgt, obwohl die Zuschauer noch viele offene Fragen hatten und weiter diskutieren wollten. Im Stimmengewirr der Besucher auf dem Nachhauseweg konnte man den Begriff „Gutsherrenart“ nicht nur einmal hören.

Ob dieser Abend wirklich die Position des Bürgermeisters verbessern konnte, ist fraglich. Das ging wohl eher nach hinten los. Auf der einen Seite ist es natürlich gelungen, die eigene Position noch einmal wie mit einer Gebetsmühle in die Köpfe der Zuschauer zu pressen, auf der anderen Seite haben die aufgeklärten Bürgerinnen und Bürger sehr genau bemerkt, welche Show ihnen da geliefert wurde.


Statt die verschiedenen Akteure an einen runden Tisch zu setzen und offen über die Fragen der Schulentwicklung der ganzen Stadt zu diskutieren, wurde die Debatten auf den Norden reduziert. Der Abend hat nicht nur durch das sehr ungeschickte Agieren der Verwaltung, sondern schon durch die grundsätzliche Konzeption und Anlage der Infoveranstaltung die Fronten deutlich verhärtet. Eigentlich sollte man meinen, dass die Form der Auseinandersetzung mit den Bürgerinnen und Bürger von oben herab spätestens seit „Stuttgart21“ der Geschichte angehören sollte, doch man lernt nie aus.


Tatsächlich gibt es mehrere Alternativen und alle müssen mindestens genauso ausführlich und fair beleuchtet werden, wie der Vorschlag des Bürgermeisters und der CDU. Beide wollten auf Kosten des Steuerzahlers Wahlkampf machen.

 

Jetzt muss man die zerbrochenen Scherben wieder einsammeln. Wir benötigen eine offene Debatte über die Zukunft der Schulen in Bergisch Gladbach, in der wir nicht nur über den Umzug des NCG, sondern über die Zukunft aller Bildungsangebote in der Stadt reden. Die Standortfrage muss endlich vom Tisch, denn wir brauchen alle vorhandenen Standorte, um unseren Kindern eine solide und gute Ausbildung zu ermöglichen. Wir müssen uns Gedanken machen, wie und in welcher Schulform wir unsere Kinder beschulen. Dazu gehört eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem Elternwillen. Die Frage einer zweiten Gesamtschule und auch die Überlegungen für Sekundarschulen und die Inklusion gehören alle auf den Tisch und dürfen bei dieser Debatte nicht immer wieder mit falschen Zahlen und Aussagen ausgeblendet werden.

Dieser Kommentar auch im Bürgerportal Bergisch Gladbach IN-GL.de

 

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