Offener Brief und Anfrage
nach dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land NRW an die Stadt Bergisch Gladbach:
Sehr geehrter Herr Urbach,
laut einer Pressemitteilung der "DIE LINKE. Fraktion" in Bergisch Gladbach vom 27.01.2015 werden für Flüchtlinge undurchschaubar hohe Kosten für die Unterkunft
errechnet und Gebührenbescheide dazu erstellt. Für eine vierköpfige Familie von Asylbewerbern werden Gebühren von 740,- € ausgewiesen. Diese Gebühren müssen die Flüchtlinge zwar nicht
selbst bezahlen, aber die Höhe wirft doch einige Fragen auf.
In Heidkamp wohnt eine vierköpfige Familie gemeinsam mit einer anderen vierköpfigen Flüchtlingsfamilie in eine Unterkunft auf ca. 50 qm. In dieser Unterkunft stehen somit jeder Person nur 6
qm zur Verfügung. Nach der Berechnungen des städtischen Gebührenbescheids würden ca. 30 € pro qm Gebühren erhoben, da für alle acht Bewohner Gebührenbescheide von insgesamt 1.480,- € erstellt
werden.
Nach der geltenden städtischen „Satzung über die Errichtung und Unterhaltung von städtischen Unterkünften sowie Gebührensatzung für die Benutzung von städtischen Unterkünften“ beträgt die
monatliche Benutzungsgebühr je Quadratmeter Wohnfläche und Kalendermonat 6,- €. Außerdem werden zusammen mit den Benutzungsgebühren zusätzlich monatliche Betriebskosten in Form einer Pauschale
fällig. Die Höhe der Pauschale richtet sich nach dem tatsächlichen Verbrauch. Das würde bedeuten, dass die Stadt für eine Unterkunft mit ca. 50 qm insgesamt und maximal 300,- € Benutzungsgebühr
berechnen kann, da nach der Satzung nur der Raum berechnet wird, der den einzelnen Personen zur Verfügung steht. Wenn für vier Personen ein Gebührenbescheid in Höhe von insgesamt 740,- €
vorliegt, kann die Differenz zwischen 300,- € und 740,- € nur durch die Betriebskosten entstehen. Diese würden im vorliegenden Fall die Benutzungsgebühr deutlich übersteigen. Für die
andere Familie mit weiteren vier Bewohnern in der gleichen Unterkunft wird auch ein solcher Gebührenbescheid erstellt. Damit würde die gesamten Benutzungsgebühr für 50 qm bei 2 x 150,- € (=300,-
€) und die Betriebskosten bei 1.180,- € liegen und damit 4x so hoch sein. Das ist mehr als erstaunlich.
Wenn die Stadt für die Unterkünfte Kosten ausweist und Gebührenbescheide versendet, dann müssen diese Ausgaben und Betriebskosten tatsächlich dort entstehen und genau für diese Unterkünfte
verwendet werden, so die Satzung der Stadt. In der Satzung heißt es: „Die Höhe der Pauschale richtet sich nach dem tatsächlichen Verbrauch.“
Das bedeutet auch, dass die Unterkünfte in einen ordentlichen und menschenwürdigen Zustand versetzt werden müssen, denn durch die Ausweisung in den Bescheiden muss die damit verbundene Leistung
auch durch die Stadt erbracht oder gewährt werden. Die Gebührenbescheide begründen einen Rechtsanspruch, denn nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stehen den Flüchtlingen Leistungen zur
Bestreitung des Lebensunterhalts zu. Nach geltenden Recht geschieht das im Regelfall durch Sachleistungen. Diese Sachleistungen müssen natürlich angemessen und menschenwürdig sein. Dabei handelt
es sich nicht um freiwillige Aufgaben der Kommunen, wie so mancher glauben mag, sondern um eine Pflichtaufgabe.
Im vorliegenden Fall müsste gemäß des städtischen Gebührenbescheids eine Unterkunft bereitgestellt werden, die 740,- € monatliche Warmmiete inkl. Heizkosten also inkl. der Betriebskosten
entspricht. Solch „noble“ Unterkünfte stellt die Stadt in der Regel nicht bereit, obwohl diese auf dem freien Wohnungsmarkt für 740,- € leicht verfügbar wären.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die Stadt Kosten für Sachleistungen berechnet, die aber gar nicht in der jeweiligen Unterkunft entstehen und damit auch nicht erbracht werden. Solche
überhöhten Bescheide für die Kosten der Unterkunft beinhalten möglicherweise andere Kosten und Querfinanzierungen, die vom Land nicht bezuschusst werden und möglicherweise in den Kosten der
Unterkunft versteckt werden. Dieser buchhalterische „Trick“ soll möglicherweise zu Lasten des Landeshaushalts den städtischen Haushalt entlasten, da das Land nur einen kleinen Teil der Kosten der
Flüchtlinge erstattet.
Statt mich selbst zu fragen stelle ich die Fragen direkt an Sie als Chef der Stadtverwaltung, wie diese Berechnungen für die Kosten der Unterkunft tatsächlich zustande kommen und wie sich diese
Gebührenbescheide genau zusammensetzen? Ich bitte Sie mir folgende Fragen zu beantworten und mache Sie darauf aufmerksam, dass ich gemäß Informationsfreiheitsgesetz einen Anspruch auf
wahrheitsgemäße und umfassende Auskunft habe.
Es ist seit Wochen offenkundig, dass die Verwaltung einige Unterkünfte und die dort lebenden Menschen vernachlässigt. Das muss aufhören, denn dies stellt einen groben Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz dar, da diese ja auch Gebührenbescheide erhalten.
Es ist schon ein sehr seltsames Gebaren und Jonglieren mit Zahlen. Tatsächlich würde das alles kaum interessieren, wenn die Situation in manchen Unterkünften nicht so schlecht wäre. Es geht nicht
um zu hohe „Mieten“, Gebühren oder Abzocke, sondern um die unzumutbaren Zustände in manchen Unterkünften. Da die Stadt offensichtlich nicht im Stande ist, diese Situation endlich zu verbessern,
ist die Kritik durchaus berechtigt, wenn man dies ins Verhältnis zu den 740,- € Gebühren setzt.
Es muss darum gehen, die Lebensverhältnisse der Flüchtlinge menschwürdig zu gestalten, so wie es das Grundgesetz von den Kommunen und uns als Gastgeber verlangt. Es darf nicht sein, dass
Menschenrechte und Menschenwürde je nach Haushaltlage gewährt oder verwehrt werden.
Ergänzungen:
Dies ist eine Anfrage nach dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen – IFG NRW).
Ausschlussgründe liegen meines Erachtens nicht vor. Nach § 5 Abs. 1 IFG NRW beantrage ich eine Antwort in elektronischer Form, die Antwort selbst erbitte ich als durchsuchbare PDF-Dateien.
Ich behalte mir vor, nach Eingang Ihrer Auskünfte um weitere ergänzende Auskünfte anzufragen.
Gemäß § 5 Abs. 2 IFG NRW sollen die Informationen unverzüglich, spätestens innerhalb eines Monats nach Antragstellung zugänglich gemacht werden. Aus Gründen der Billigkeit und aufgrund des
Umstands, dass die Auskunft in gemeinnütziger Art der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden wird, bitte ich nach § 2 der Verwaltungsgebührenordnung zum Informationsfreiheitsgesetz
Nordrhein-Westfalen (VerwGebO IFG NRW) von der Erhebung von Gebühren abzusehen. Sollte die gewünschte Auskunft wider Erwarten gebührenpflichtig sein, bitte ich darum, mir dies vorab
mitzuteilen und dabei die konkrete Höhe der anfallenden Kosten anzugeben. Der Veröffentlichung ihres Antwortschreibens an mich durch die Stadt stimme ich vorab zu. Ich bitte um eine
Eingangsbestätigung und danke Ihnen für Ihre Mühe.
Mit freundlichen Grüßen,
Tomás M. Santillán, Bergisch Gladbach
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Anke (Freitag, 26 Januar 2018 18:59)
Hallo Herr Santillan,
haben Sie eine Antwort auf Ihre Anfrage bekommen?
An der Höhe der Bescheide hat sich ja leider nichts geändert.
Solange das Sozialamt oder Jobcenter die Kosten übernehmen, könnte man einfach von einem Zahlenspiel (linke Tasche - rechte Tasche) sprechen.
Anders wird es nun, wenn die Flüchtlinge Arbeit finden und dann die Kosten selbst zahlen müssen...
Bsp.: in der Jakobstraße für 24 qm für 2 Personen pro Bett ca. 400 Euro. Vom Mindestlohn ist dann fast die Hälfte für eine Kakerlaken verseuchte Unterkunft weg! Und normale Wohnungen, die den Preis rechtfertigen würden, sind nicht zu bekommen.
Moritz (Donnerstag, 22 Februar 2018 09:35)
Notunterkunft Ahornweg , 1 Zimmer 18,68 m²
Grundgebühr/Miete je m²: 9,76 Euro = 182,32 Euro
Betriebskosten je m²: 20,44 Euro = 381,82 Euro
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564,14 Euro
+ 25, 83 Euro Strom
Für ein Zimmer. Wenn ich das auf das Haus hochrechne kommt man auf rund 24.000 Euro Miete. Übrigen: Auch die kleineren Zimmer hier kosten das gleiche an Gesamt Miete.
Das wird dann geradezu abenteuerlich wenn man sich für diese Zimmer den Preis pro m² errechnet. Zahlt der Bund zufällig die Miete für die Flüchtlingsunterkünfte? Denn das würde ja dann Geld in die Kasse der Stadt spülen. Und damit der Wucher nicht ganz so auffällig ist zahlen die Bewohner der Notunterkünfte einfach auch mal das gleiche.... Hauptsache die Notlage der Menschen wird schön ausgenutzt.