In der letzten Nacht habe ich die Facebook-App und Facebook-Messenger von meinem Smartphone gelöscht. Ich will mal für ein paar Tage sehen
wie es ohne geht. Auch werde ich Facebook erstmal und ab sofort aus meinem Browser ausschließen. Wie lange, werde ich sehen.
"Das Internet verändert die Welt." Diesen Satz haben meine Kunden immer wieder gehört, als ein Freund und ich 1995 eine der ersten Internetfirmen in Köln gegründet hatten. Die meisten schauten
uns ungläubig an und hielten uns für völlig verrückt und einer fragte uns sogar nach Marihuana. Zwanzig Jahre später würde man uns natürlich auch ohne Drogen glauben, denn in der Zwischenzeit
sind Google, Apple, Facebook und Co. nicht nur milliardenschwere Konzerne, sondern auch allgegenwärtig in unser Leben eingedrungen und bestimmen immer mehr unseren Alltag.
So auch die Facebook-Anwendungen, die nicht nur alle meine Kontakte und Daten auf meinem Smartphone ausspähen kann, sondern mich auch ständig auf Trapp halten. Es blinkt, es tönt und ständig gibt
es neue Nachrichten, die man sehen soll, auf die man sich beziehen könnte oder die beantwortet werden möchten. Der FB-Messenger geht sogar so weit, dass er ständig anzeigt, wer online ist und wer
die deine Nachrichten gelesen hat und wer nicht. Das gilt natürlich auch umgekehrt und alle meine Facebookfreunde können sehen, wann ich zuletzt da war. Will ich das wirklich?
Wenn meine Geschwister und engen Freunde mich ansprechen, ob ich das Smartphone nicht einfach abschalten könnte, sollte man nachdenklich werden. Ich habe das meistens dann so getan, um es nach
dem Treffen wieder anzuschalten und in FB nachzusehen. Tatsächlich beobachte ich in meinem engen Freundeskreis eine sehr ausgedehnte Nutzung von Facebook und dem Facebookmessenger, welche die
Grenze zur Unhöflichkeit regelmäßig überschreitet. Interessanterweise respektieren die meisten den Griff des Gegenübers zum Smartphone, als wäre es ein Griff zu einer Zigarette, die man
mindestens 1x die Stunde am Abend rauchen muss. So greifen immer mehr Menschen nicht nur in der Bahn oder dem Bus zum Smartphone sondern überall wo sie sind. Bei der Arbeit, in der Pause, in der
Kneipe, mitten im Gespräche mit Freunden und manche sogar im Theater.
Es erinnert mich an eine Vision aus einer bekannten utopischen TV-Serie, in der ein süchtigmachendes elektronisches Gedankenspiel die Kontrolle über die Menschen übernimmt, den die Spieler werden
mit einem körperlichen Glücksgefühl belohnt. Facebook vermittelt nicht solche Glücksgefühle, aber die Kommunikationsbreite, die Facebook ermöglichen macht Freude, aber sie übt auch Druck auf die
Teilnehmer aus. Ich bin mir sicher, dass sich heute schon die ersten FB-Freunde bei mir melden werden, um mich zu fragen, warum ich den Facebook-Messenger gelöscht hätte, denn gerade dieser war
in meinem Smartphone die aufdringlichste Anwendung. Und so lange hatte ich den FB-Messenger noch nicht installiert (nur wenige Wochen).
Eigentlich einfach. Die ständige Verfügbarkeit meiner Person, die über dieses Medium vermittelt wird, verletzt meine Integrität. Ich bin eben nicht immer da, ständig verfügbar und abrufbar und
man kann mich nicht einfach abstellen und dann in Facebook gehen und da ist er dann. Nein!
Dadurch, dass die Chatpartner sofort sehen können, dass man deren Texte gelesen hast, warten einige auf Antworten, die man aber vielleicht nicht geben will.
Wer etwas von mir möchte, muss sich zukünftig ein klein wenig mehr bemühen und im Zweifel ein paar mehr Sekunden Zeit nehmen. Und das ist gar nicht schwer, denn meine Rufnummer und Mailanschrift
sind leicht im Internet zu finden. Ich halte das für durchaus zumutbar und das hatte jahrzehntelang gut funktioniert. Man kann mir leicht SMS oder über Mail lange Briefe senden. Telefonieren geht
mit dem Smartphone auch. Meine Postanschrift und mein Hausbriefkasten ermöglicht es sogar Postbriefe auf Papier oder kleine Päckchen zu empfangen.
Ich habe Facebook jetzt jahrelang exzessiv genutzt und ich werde es auch weiterhin nutzen. Ich bin also nicht jemand, der das nicht kennt oder wie ein Maschinenstürmer ablehnt. Ganz im Gegenteil.
Doch will ich für mich ausprobieren, wie die Welt ohne Facebook ist. Geht das überhaupt? :-)
Das fängt erstmal damit an, dass man zumindest denjenigen, mit denen man viel über Facebook geschrieben hat, erklären muss, dass ich aus dieser Variante miteinander zu schreiben aussteige. Am
besten macht man das über Facebook selbst und weißt dabei auf andere Möglichkeiten hin, um jemanden zu erreichen.
Und dann muss man auch noch erklären, dass es gar nicht um sie als Person, Freund oder Kollegen geht (ich mag die alle sehr), sondern schlicht um mich selbst.
Chat ist eine durchaus spannende Möglichkeit miteinander zu schreiben. Auch wenn meist durch die Geschwindigkeit etwas Tiefe verloren geht (da Rand- und Zwischentöne fehlen), kann man eine Menge
Dinge austauschen, die man sicher ohne Chat nicht ansprechen würde. Chat erweitert unsere Möglichkeiten enorm.
Ich werde an diesem Wochenende und vielleicht auch noch länger sehen, wie meine Umgebung darauf reagiert. Ob sie es einfach hinnehmen und sagen: „Ok, dann bist Du eben da raus und wir sehen uns
in einem anderen Leben wieder“ oder vielleicht sagen sie: „Du hast ja völlig recht, aber ich ändere das nicht“ oder vielleicht schalten sie ab und versuchen es auch mal wieder anders und an der
Basis orientiert.
Bericht folgt!
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Jürgen S. (Freitag, 13 November 2015 12:11)
Ein guter Weg !
Es wird Dir sehr gut tun. Ich selbst habe auch meinen Facebookzugang mal eine Zeit lang stillgelegt.
Es war eine sehr befreiende Zeit. Aber auch ernüchternd zu erkennen welch eingeschränkte Kontaktliebe daraus entsteht. Fast alle FB Freunde haben vergessen das man mit ihrem Smartphone auch Telefonieren kann..../.. und dann diese "STILLE".
Einfach eine unbeschreibliche Zeit.
Ein guter Weg.
Vera Albrecht (Freitag, 13 November 2015 19:56)
Ich schaffe es nicht! ... Ich denke am Wochenende darüber nach und rufe an.